Vorgehen und Tipps aus Sicht eines kleinen Reiseveranstalters (Stand Mitte März 2020)

Zum Coronavirus und den geeigneten Maßnahmen zu dessen Eindämmung scheint fast jeder eine Meinung zu haben. Manche setzen die Zahl der jährlichen Grippe-Toten ins Verhältnis zu den derzeitigen Corona-Toten um so zum Schluss zu kommen, dass die von der Politik vorgenommenen Maßnahmen vollkommen überzogen seien. Sie rechnen damit, dass sich alles in Kürze wieder in Wohlgefallen auflöst. Andere sehen schwere Krisenzeiten mit Versorgungsengpässe auf uns zurollen und decken sich mit großem Lebensmittelvorräte ein.
Ob Maßnahmen überzogen sind oder nicht, kann ich nicht einschätzen. Ich habe schlicht keine Ahnung und daher auch keine Meinung.
Doch ich bin Unternehmer und trage Verantwortung für ein kleines Reiseunternehmen und meine Kollegen. Mehr nicht, aber auch weniger nicht. Als Reiseveranstalter von Aktivreisen (biss-reisen.de) mit den Destinationen Osteuropa und Asien sind wir getroffen. Es existiert derzeit eine starke allgemeinen Verunsicherung aller Reisenden. Die deutsche Politik mahnt zur Unterlassung von „unnötigen Reisen“. Mehrere unserer Reiseländer haben Einreisesperren verhängt.
Der Corona-Ausbruch in China hat bereits Anfang Dezember begonnen und hat bei unseren Kunden, die üblicherweise über die Weihnachtszeit beginnen ihre Fernreisen zu planen und zu buchen, zu größeren Verunsicherungen geführt. Somit haben wir bereits Auswirkungen im Buchungsverhalten Anfang des Jahres deutlich gespürt.

Wie gehe ich als Unternehmer nun mit dieser Situation um?

1. Analyse der Situation

Um Maßnahmen zu treffen, muss ich wissen wo wir stehen und welche Szenarien denkbar sind. Leider sind unsere finanziellen Reserven nicht so, dass wir der Situation einfach mit „Augen zu und durch“ begegnen können. Alles laufen lassen, würde unser Aus bedeuten, falls es zu weiteren, dramatischen Verschlechterungen kommt.
Ich arbeite zur Analyse mit einem selbstgeschriebenden Prognosetool, was ich seit Jahren einsetze um die aktuellen Buchungszahlen auf das Jahresergebnis hochzurechnen. So lassen sich die Deckungsbeiträge von Woche zu Woche für das laufenden Jahr präziser berechnen.
Dies ist die Basis für weitere Berechnungen und Maßnahmen.

2. Berechnung der Szenarien

Für die verschiedenen Buchungsszenarien habe ich nun eine Range von Deckungsbeiträgen ermittelt. Im nächsten Schritt habe ich die Fixkosten genau unter die Lupe genommen. Bei einer Analyse und Einordnung jeder einzelnen Ausgabenposition hinsichtlich ihrer Wichtigkeit, habe ich im Ergebnis sechs verschiedene Reduktionsstufen definiert. In der ersten Reduktionsstufe werden Maßnahmen reduziert, auf die wir kurzzeitig verzichten können. Das betrifft in erster Linie den Marketingbereich.
In der letzten Stufe werden nur noch Aktivitäten finanziert, die für das Überleben des Unternehmen absolut notwendig sind. Hierzu zählen die Website, das Bankkonto oder Versicherungen und Pflichtmitgliedschaften.
In den Zwischenschritten sind bereits alle externen Dienstleister und vieles mehr rausgeflogen.
Wohlgemerkt, dies ist ein Extremszenario! Aber zum jetzigen Zeitpunkt kann niemand mit Sicherheit sagen, dass nicht alle Reisen eingestellt werden und wir auf hohen Kosten sitzen bleiben. Auch wenn ich das für sehr unwahrscheinlich halte, sollte ich dies, als vorsichtig agierender Unternehmer, gedanklich miteinbeziehen.

Wir haben seit einiger Zeit einen Festangestellten, der mit seinem Gehalt natürlich einen großen Anteil der Fixkosten bildet. Ihn habe ich jedoch bei der Betrachtung der Fixkosten zunächst raus gerechnet, um ihn gesondert zu betrachten. Hier geht es um Menschen und da habe ich eine ganz andere Verantwortung.
Hier geht es darum offen, ehrlich, loyal und freundschaftlich miteinander umzugehen. Was ich mir von ihm wünsche, muss ich natürlich selber voll praktizieren. Mit unserem Mitarbeiter gab es auch in dieser schwierigen Situation, in der alle gefordert sind, bisher keinerlei Irritationen. Wir ziehen alle an einem Strang.

3. Strategische Ziele und Optionen

Wir haben in den letzten Jahren viel in die Infrastruktur unseres Unternehmens investiert. So haben wir nicht nur die IT-Struktur und Software erneuert und weiterentwickelt, die Arbeitsorganisation, die Informationsstruktur und die Zusammenarbeit mit Partnern viel effektiver gestaltet, das Büro renoviert und das Marketing verbessert, sondern auch ein gutes Klima für Praktikanten und Mitarbeiter geschaffen.
Dies alles möchte ich nicht aufgrund der aktuellen Krise verlieren oder auf null zurückschrauben. Strategisches Ziel ist es für die nächsten Jahre ein solides kleines Unternehmen aufzubauen und zu verbessern.
Dazu gehört insbesondere auch unser Mitarbeiter, der sich sehr gut in die vielfältigen Aufgaben eingearbeitet hat.

In der Konsequenz heißt das strategische Ziel dieses Jahr irgendwie als Unternehmen zu überleben und uns für die nächste Saison besser vorzubereiten um dann wieder voll durchstarten zu können. Auch die zeitliche Reduktion bei uns Eigentümern und die Suche nach Zweitjobs ist dabei durchaus eine reale Option.

4. Vorgehen

Da sich die Situation bei uns bereits Anfang des Jahres anfing abzuzeichnen, habe ich bereits zu dieser Zeit angefangen mich mit dem Thema Kurzarbeit auseinanderzusetzen. In der Konsequenz habe ich nun tatsächlich Kurzarbeit beantragt, noch bevor das Thema in Deutschland massiv durch die Presse ging. Dies gibt uns die Option unseren Mitarbeiter zu halten um dann nächstes Jahr wieder richtig durchstarten zu können. Kurzarbeit ist hier ein sehr flexibles Mittel. Der Antrag und die Verwaltung ist für ein kleines Unternehmen jedoch nicht ganz trivial. Wir müssen auch bedenken, dass selbst bei Null Kurzarbeit wir noch auf einem Großteil des Sozialabgaben sitzen bleiben.
Als Zweites habe ich auf Grund der aktuellen Umsatzprognosen die erste Kostenreduktionsstufe in Kraft gesetzt. Derzeit sind wir bei der ersten Stufe, das heißt insbesondere im Marketing wird gespart.
Wir werden alles daran setzen den Umsatz in diesem Jahr zu erhöhen. Dies aber in erster Linie durch direkte Ansprachen unserer Kunden. Allgemeine Marketingmaßnahmen und Werbung für Reisen, halte ich in einer Zeit, wo die Regierung ausdrücklich vor dem Reisen warnt, für fehl am Platze.
Als dritte Maßnahme bin ich dabei neue Geschäftsfelder für die kommende Saison auszuarbeiten. Wenn es gut läuft könnte diese uns eine weitere, solide Einnahmeplattform bieten.
Entscheidend ist die Situation ständig im Blick zu behalten und zeitnah zu reagieren.

Noch ein Schlusswort

Auch wenn die Situation schwierig bis teils aussichtslos erscheinen mag und wir, als betroffene Unternehmer, keinerlei Einfluss auf diese äußere Situation haben, so sind wir derzeit mehr denn je gefordert schlau und vorausschauend zu agieren.

Hoffen wir, dass es nicht so schlimm wird und vor allem nicht so viele Menschen zu Schaden kommen.

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